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Auswirkungen des Klettersportes auf Felsbiotope



Dem Klettersport werden seit langem eine Reihe - vorwiegend negativer - Auswirkungen auf den Naturhaushalt nachgesagt.
Fast allen Untersuchungen zu diesem Thema sind allerdings einige methodische Fehler gemein:

Einige häufig kolportierte Behauptungen werden im weiteren erläutert und ggf. widerlegt. Nicht behandelt werden sekundäre Effekte (umweltgerechtes Verhalten im Alltag als Folge der Ausübung einer Natursportart). Ebenso wird nicht auf umweltschädigendes Verhalten eingegangen, das nicht kletterspezifisch ist und bei anderen Naturnutzern in gleichem Umfang auftritt (z.B. Rauchen im Wald, Wegwerfen von Müll usw.).


Behauptung 1:

"Klettern führt zur Erosion auf den Felsköpfen."

Im Ausstiegsbereich von Kletterrouten ist mit Erosion und im Extremfall einer Abtragung der Böden bis auf das Ausgangsgestein zu rechnen. Diese primäre Erosion ist zwar lokal eng begrenzt, bedingt aber durch Rinnenbildung eine sekundäre Erosion durch Fließwasser. Nach vorliegenden Untersuchungen (BILSTEIN/KRAUSE 1995) ist der Einfluß der Kletterer allerdings im Vergleich zu dem der Wanderer als gering einzustufen.

Die Kletterer haben auf dieses Problem seit einigen Jahren dadurch reagiert, daß unterhalb der Felsköpfe Umlenkhaken angebracht werden. Dadurch ist Klettern ohne Betreten der relativ empfindlichen Felsköpfe möglich. Somit ist das spezifische Erosionsproblem ausgeschaltet und die natürliche Vegetation kann sich regenerieren bzw. wird erst gar nicht in Mitleidenschaft gezogen.


Behauptung 2:

"Klettern führt zur Erosion auf den Zustiegswegen."

Die Erosion auf den Zustiegswegen hatte sich Anfang der 80er Jahre in einigen größeren Klettergebieten außerhalb Hessens zu einem ernstzunehmenden Problem entwickelt, da es zu einer tiefgehenden Bodenabtragung mit Bildung von Fließwasserrinnen kam, vergleichbar mit der auf Wanderwegen in den Alpen. Es zeigte sich allerdings, daß schon durch wenig aufwendige Lenkungs- und Wegebaumaßnahmen das Problem entschärft werden kann. Dazu gehören:


Behauptung 3:

"Kletterer zerstören die Felsen mit Haken, Steigeisen und Eispickeln."

Diese Meinung hält sich hartnäckig und wird mit gewisser Regelmäßigkeit auch publiziert. Sie beruht offensichtlich auf einer nicht durch Fachkenntnisse beeinflußten Rezeption von populären Darstellungen des Bergsteigens (z.B. "Luis-Trenker-Filme"). Tatsächlich werden traditionelle Haken nur in vorhandene Felsrisse geschlagen und Bohrhaken benötigen ein wenige Millimeter großes Bohrloch, in dem sie über Jahrzehnte verbleiben. Die anderen genannten Geräte werden beim Felsklettern nicht benutzt. Selbst die Kletterschuhe sind mittlerweile aus weichen Materialien, mit denen es nicht möglich ist, den Fels in irgendeiner Weise zu beschädigen. Daß ZIMMERMANN (1990) daraus folgert, der Sohlenabrieb dieser Schuhe stelle eine neue Gefahr für die Felsbiozönosen dar, entbehrt jedes belastbaren Beleges.
Dagegen kommt es immer wieder zu Konflikten mit wissenschaftlichen und Hobby-Geologen und -Mineralogen, die an Kletterfelsen Proben entnehmen und dadurch in Einzelfällen auch Kletterrouten unbegehbar machen können.


Behauptung 4:

"Die Benutzung von Magnesia beim Klettern zerstört den Fels."

Magnesia ("Chalk") ist ein Gemisch aus Magnesiumcarbonat und Magnesiumhydroxid, das beim Klettern benutzt wird, um die Feuchtigkeit der Hände zu binden. In Routen oberhalb des 6. bis 7. Schwierigkeitsgrades ist es erfahrungsgemäß kaum möglich, auf seinen Einsatz oder den von Ersatzstoffen zu verzichten. Dies entspricht den Verhältnissen im Turn-Leistungssport. Die These von der Schädlichkeit des Magnesia ist durch ein vom DAV bereits im Jahre 1985 in Auftrag gegebenes Gutachten hinreichend widerlegt worden. Insbesondere konnte gezeigt werden, daß es keine Abtragsschäden verursacht. Im Kalkfels verhindert es im Gegenteil die Politur der Felsen durch den sauren Schweiß.
Daß Magnesia immer wieder zum Konfliktstoff wird und in einer Reihe von Klettergebieten ein Magnesiaverbot ausgesprochen wurde, ist weniger ein ökologisches als ein ästhetisches Problem. Magnesia hinterläßt an den Felsen weiße Spuren, die insbesondere an dunklem Fels auffällig sind. Der optische Eindruck ist mit dem der Kotspuren von Greifvögeln zu vergleichen.
Da, wo nachweißbare Schäden durch Magnesia festgestellt werden, ist dessen Verbot auch aus Sicht der Bergsportverbände gerechtfertigt. Ästhetisch begründete Magnesiaverbote sind allerdings nicht vom Naturschutzrecht gedeckt.


Behauptung 5:

"Die Benutzung von Magnesia beim Klettern führt zu einer Eutrophierung der Felsoberfläche."

Die Behauptung, die Benutzung von Magnesia beeinträchtige die Felsflora durch einen Düngungseffekt, entbehrt jeder Grundlage. Magnesia ist in Wasser weitgehend unlöslich, so daß ein nennenswerter Nährstofftransport in die Pflanze von vorneherein ausgeschlossen ist.
Vergessen wird bei solchen Behautpungen regelmäßig der Stickstoffeintrag aus der Luft durch die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe freiwerdenden Stickoxide. Die dadurch verursachten Stickstoffimmissionen liegen in einer keinesfalls vernachlässigbaren Größenordnung von einigen hundert Milligramm pro Quadratmeter und Jahr.


Behauptung 6:

"Klettern zerstört die Felsvegetation."

Der Punkt wurde bereits weiter oben angesprochen. Schäden lassen sich im wesentlichen im Felskopfbereich nachweisen, wo wirksame Gegenmaßnahmen getroffen werden können.
In den eigentlichen Wänden ist der Bewuchs eingeschränkt, es handelt sich im wesentlichen um Flechten. Da der Aktionsradius von Kletterern in den Routen beschränkt ist, sind Schäden, wenn überhaupt, nur punktuell vorhanden. Am ehesten ist eine Schädigung kleinerer Flächen unter den Umlenkhaken durch die Seilreibung zu vermuten.
Die Auswertung der Literatur zeigt, daß über den Umfang der Schäden an Flechten im exakten Verlauf der Kletterrouten auch nach der Durchführung gezielter Untersuchungen große Unklarheit herrscht.


Behauptung 7:

"Kletterer stören Vögel bei der Brut."

In vielen Gebieten gibt es jahreszeitlich begrenzte Sperrungen zum Schutz felsbrütender Vogelarten, insbesondere zum Schutz von Wanderfalke und Uhu. Obwohl diese Sperrungen zum Teil, wie in der Südpfalz, in eine komplexe Gesamtplanung eingebunden sind, deren Einhaltung einen hohen Informationsstand der Kletterer voraussetzt, sind keine gravierende Verstöße bekannt geworden. Ganz im Gegenteil, wie etwas das bestens dokumentierte Beispiel des Kletterverbotes am Roten Fels im Pegnitztal belegt.  Mehr...
Dieses Beispiel aus dem nördlichen Frankenjura zeigt, wie auch einem der populärsten Kletterfelsen Deutschlands ein harmonisches Miteinander von Falken und Kletterern organisiert werden kann, wenn alle Beteiligten von Seiten der Naturschutzbehörden, der Naturschutzverbände und der Kletterer dazu bereit sind.

Andererseits sind genügend Fälle aktenkundig, in denen illegale Aushorstungen aus kommerziellem Interesse durch die Anwesenheit von Klettersportlern verhindert werden konnten. Darüberhinaus sind Kletterer inzwischen in vielen Gebieten an der Bewachung von Greifvogelhorsten beteiligt.

Ganz im Gegensatz zu diesen überaus positiven Erfahrungen eines völlig unkomplizierten Mit- und Nebeneinanders von Klettersport und Greifvögeln, muß jedoch immer wieder festgestellt werden, daß der Vogelschutz instrumentalisiert wird, um Kletterer von Felsen oder aus deren Umgebung fernzuhalten, wenn ihre Anwesenheit den Interessen von lokal engagierten Naturschützern zuwiderläuft.


Behauptung 8:

"Kletterer tragen zur Eutrophierung der Felsumgebung bei."

Diese Vermutung liegt zunächst nahe, da Kletterer sich häufig den ganzen Tag im Felsbereich aufhalten und Toilettenhäuschen oder ähnliche Infrastrukturen meist nicht am Ort sind. Eutrophierungsspuren im Felsbereich - (Vorkommen von Stickstoffzeigern wie Holunder (Sambucus nigra), Giersch (Aegopodium podagraria) und Brennessel (Urtica dioica) - werden vielfach als Folge menschlicher Anwesenheit interpretiert. Allerdings zeigt sich auch an unbekletterten bzw. gesperrten Felsen eine Ausbreitung dieser Arten. Als Hauptursache hierfür dürften der Stickstoffeintrag durch die Luft, sowie die z. T. massiven Nährstoffeinträge durch umgebende Landwirschaft festzumachen sein.


Fazit
Aus der Sicht der Kletterportverbände werden die negativen Auswirkungen des Klettersports häufig übertrieben dargestellt. Mit dem heutigen Kenntnisstand lassen sie sich - auch kleinräumig - in aller Regel lösen, ohne dabei auf massive ganzjährige Kletterverbote zurückgreifen zu müssen.

Die Erkenntnis, daß sich mögliche Konfliktpotentiale zwischen Klettersport und Felsbiotopschutz in aller Regel naturschutzfachlich ohne Totalkletterverbote lösen lassen, lenkt den Blick auf die politischen Hintergründe für Kletterverbote.



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